Unsere Ahnen und die Schifferfastnacht
Ein alter Brauch der Elbeschiffer, die Schifferfastnacht, wird in den Dörfern an der Oberelbe seit Jahrhunderten begangen, in Postelwitz seit 1612.
Im Winter, wenn auf der Elbe starke Eisschollen treiben oder sie gar viele Wochen fest zugefroren war, mußte die Schiffahrt ruhen, und die Schiffer waren ohne Arbeit.
Nach monatelanger Abwesenheit im Sommer waren die Männer natürlich gern bei ihren Familien, Freunden und Bekannten. Die Arbeitslosigkeit im Winter zehrte jedoch das wenige Ersparte schnell auf, so daß die wärmeren Tage und der Beginn der Schiffahrt ersehnt wurden. Deshalb wurde um die Monatswende Januar/Februar der Winter ausgetrieben, Nach den kargen Wochen geschah das unter Beteiligung des ganzen Dorfes fröhlich und ausgelassen als Schifferfastnacht.
Der neue Anfang war schwer
Der faschistische Krieg zerstörte diese Postelwitzer Tradition, denn es gab keinen Grund zum Fröhlichsein. Aber auch nach der Befreiung standen die Trauer um verlorene Familienangehörige, Sorgen und Nöte an vorderster Stelle.
Nach der Gründung der DDR, als sich die Lebensbedingungen von Tag zu Tag spürbar verbesserten, versuchten die Bürger Rudolf, Fiedler und Georg Friebel, dem Prossener Beispiel folgend, die Postelwitzer Einwohner wieder für die Schifferfastnacht zu gewinnen. Sie machten das auf eine recht drastische Art. In der Fastnachtsnacht 1951 trugen sie die Schifferfastnacht zu Grabe, Indem sie unterhalb des Singesteines ein Kreuz und einen Kranz mit Fastnachtsutensilien niederlegten. Der Anstoß half jedoch nicht. Im Gegenteil - die Fastnachtsutensilien waren nach der nächsten Nacht spurlos verschwunden. 1952 versuchten schon vier Unentwegte durch persönliche Gespräche, Bereitschaft und Initiative zu wecken, aber der Durchbruch wurde nicht erzielt. Werner Friebel und Rudolf Fiedler ließen sich jedoch nicht erschüttern und zogen am Fastnachtsnachmittag 1953 mit einigen anderen "Fastnachtsmusikern" durchs Dorf. Dieses offensive Herangehen klang mit einem Faschingstanz im "Cafe Häntzschel" aus. Der Bann war gebrochen.
Die Nationale Front unter Leitung von Erhard Friebel faßte den Beschluß, dieses alte Volksgut künftig in würdiger Form zu begehen. Seit 1954 wird die Schifferfastnacht wieder in traditioneller Form gefeiert.
Heute
Die Schifferfastnacht ist heute zu einem gesellschaftlichen Ereignis in Postelwitz geworden.
Schon viele Monate, bevor das fröhliche Treiben beginnt, wird heimlich gebastelt, gebaut und vorbereitet. Doch bleibt alles streng geheim, und erst am Fastnachtstage selbst, zum großen Umzug, werden die einzelnen "Rollen", wie sie bei uns heißen, gezeigt.
Für die Einwohner beginnt der Tag mit dem "Wecken" durch die Fleckelmänner. Schon am frühen Morgen machen sie sich auf den Weg, um mit ihren Trompeten und Tuten die Leute munter zumachen. Am Vormittag werden dann die letzten Vorbereitungen getroffen, Hausfrauen bereiten sich auf die nachmittäglichen Besuche vor, und die Blumenlädchen und Marketenderinnen sind auch schon auf den Beinen.
Dann ist es soweit. Um die Mittagszeit ist "Stellen" vor "alter Postelwitzer Gierseilfähre" zum großen Umzug. Der Kapitän hält eine festliche Ansprache und der Umzug wird nach traditionellen Regeln formiert. Zuerst kommt die "Spitze". Sie setzt sich wie eh und je auf die gleiche Weise zusammen.
Da wären zuerst die "Fleckelhanswürste", die in ihren bunt geflickten und mit Schellen besetzten Anzügen vor dem gesamten Umzug einhertanzen und für Ordnung und "freies Fahrwasser" sorgen. Dann folgen die "Vorläufer", der Wasserbeschützer "Neptun" mit dem Dreizack, dem langen grünen Kopfhaar und seinen goldenen Schuhen, der Kapitän mit seinen Mannen, den "Vermalern", welche bereits einen Tag zuvor die Straße als "Fahrwasser" bzw. Strom "vermalt" haben. Ein "Mal" mit einem Strohwisch gilt als gute Fahrrinne, ein zweifaches Mal bedeutet eine "Stromenge" und ein dreifaches stellt ein Hindernis dar. Ein solches ist natürlich am Gasthaus angebracht, da kann keiner vorbei!
Den Vermalern folgt der Fahnenträger, der stolz die Vereinsfahne des alten Schiffervereines "Fortuna" trägt. Die große Gruppe der "Weißen" schließt sich in der Tracht an, wie sie die alten Schiffer vor Jahrzehnten als Ausgehanzug trugen; weißes Hemd, dunkelblaue Hose, blaue Mütze, buntes Halstuch, buntgestickte Hosenträger und eine breite rote Schärpe, die um den Leib geschlungen ist. Der "kleine" Kapitän führt die Matrosen an. Diese tragen auf ihren Schultern die Fastnachtskähne, die reich mit bunten Bändern geschmückt sind. Heiratet z. B. ein Mädchen, so spendet sie ein von ihr selbst gesticktes Band, das dann am Kahn befestigt wird. So sind im Laufe der Zeit viele Bänder zusammengekommen.
Es fehlen natürlich auch nicht die Blumenmädchen und Marketenderinnen in ihren bunten Trachten. Sie verkaufen eifrig Blumen, die früher selbst hergestellt wurden, heute aber aus Sebnitz kommen. Die Marketenderinnen tragen kleine Schnapsfässel bei sich und bieten Alkoholisches an, zum "Aufwärmen". In der Spitze befindet sich natürlich auch die Blaskapelle. Ohne ihre zünftige Musik wäre wohl der Umzug nur halb so schön.
Es folgen die sogenannten "Rollen". Diese "Rollen" stellen Begebenheiten aus dem damaligen Schifferleben und lustige Ereignisse des Alltages dar, aber oft werden auch die kleinen Unzulänglichkeiten des täglichen Lebens humorvoll aufs Korn genommen, wobei der Fantasie keine Grenzen gesetzt sind.
Nach dem Umzug ist für die Fastnachtsbrüder und für die Dorfbewohner noch lange nicht Schluß. Dann geht es erst so richtig los! Der Umzug wird aufgelöst, einmal im Ober- und einmal im Unterdorf. Danach geht es für alle in die Häuser. "Landgang" ist angesagt! Die Gastfreundschaft ist an diesem Tage sprichwörtlich, denn ein jedes Haus steht jedermann offen, ganz gleich, wer da auch kommt. Was Keller und Küche hergeben, wird aufgetischt. Keiner bleibt hungrig oder gar durstig. Allerdings kommt es dann auch vor, daß mancher " Fahrensmann" schwankende Planken unter seinen Füßen spürt, denn das Dorf ist lang und hat viele Häuser, und ungastlich oder gar unhöflich möchte man doch nicht sein! Natürlich wird nicht nur gegessen und getrunken. Erinnerungen werden aufgefrischt, und es gibt auch viel über die einzelnen Rollen zu lachen, wenn sie ihren Schabernack treiben.
Dieser Landgang geht auf den alten Heischebrauch zurück Denn heischen heißt soviel wie verlangen oder erbitten, Die Blasmusik mit Neptun und Kapitän zieht inzwischen von Haus zu Haus und spielt Ständchen. Zum Dank werden auch sie reichlich bewirtet. Der Tag klingt mit dem großen Schifferball aus. Nochmals trifft sich alles auf der Straße und im bunten Zug, allen voran die Musik, geht's auf den Tanzsaal. Mit Musik, Tanz und Stimmung geht dann dieser schöne und erlebnisreiche Tag zu Ende.
Der neue Tag läßt aber nicht lange auf sich warten. Schon in den Morgenstunden trifft sich alles wieder Im Gasthaus, Egal, ob mit oder ohne Kater, der Frühschoppen kann beginnen! Der "Frühschoppen" zieht sich allerdings über den ganzen Tag hin bis in die Nachtstunden hinein, denn die Postelwitzer sind ein fröhliches und ausdauerndes Völkchen.
Die Kinderfastnacht
Um auch die junge Generation in diesen Brauch hineinwachsen zu lassen, findet meist 14 Tage nach der "Großen" die "Kleine Schifferfastnacht" statt. Auch hierbei ist fröhliches Treiben für kleine und große Kinder garantiert.
Das Schifferkränzchen
Das Schifferkränzchen bildet den endgültigen Abschluß der Schifferfastnacht. In festlicher Kleidung lassen die Postelwitzer bei lustigem Tanz diese fröhliche, aber auch anstrengende Zeit ausklingen.